1375 – Schöngrabern in der Urkunde

Das Gebiet der Gemeinde Grabern ist bereits mindestens seit 4.500 Jahren besiedelt. Dokumentiert sind die heutigen Ortschaften aber noch nicht einmal seit 1000 Jahren. Die Orte Windpassing und Ober-Steinabrunn werden bereits Anfang des 12. Jahrhunderts niedergeschrieben. Auch Grabarn oder Grawarn wird schon zu dieser Zeit erwähnt. In diesem Beitrag wird aber eine Urkunde aus dem späten 14. Jahrhundert genauer untersucht. 

Bald 650 Jahre ist es her, dass Hans von Tirna das Gut in Schöngrabern um 480 Pfund Wiener Pfennige von Heinrich von Prunn, dessen Sohn und dessen Neffen kaufte. Eine Urkunde vom 21. Juni 1375 bezeugt diesen Kauf. Dieses Schriftstück ist einer der frühesten Belege aus der Zeit, als Schöngrabern von Grawarn oder Grabern unterschieden wurde.

Schöngrabern vom Original rot hervorgehoben. Rechte zur Verbreitung dieser Urkunde besitzt das Steiermärkische Landesarchiv, Urkunde N 3224.

“Ich, Heinrich von Prunn und ich, Hans, sein Sohn und ich, Rudolf von Prunn, des vorgenannten Heinrichs Bruders Sohn, Hans (selig) von Prunn und alle unsere Erben, wir […] tun Kund allen denen, die diesen Brief lesen oder hörend lesen, die noch leben und dernach künftig sind: Dass wir mit gutem Willen, mit Wohlbedacht und nach Rat unserer Freunde zu der Zeit […] recht und redlich verkauft und geben haben: Dem ehrbaren Mann Hans von Tirna, zu den Zeiten Hubmeister* in Österreich, unseres Rechten eigens 30 Pfund Wiener Pfennig Geldes, […] gelegen zu Schöngrabern, auf 21 halben Lehen bestiftetes und behaustes Gut und auf allen dem, das dazu gehöret zu Feld und zu Dorf, es sei gestiftet oder ungestiftet, versucht oder unversucht mit allen den Ehren und Rechten, wie sie genannt sind. Als wir, die vorgenannten Güter ihm eigens gewähr erbracht haben, nichts ausgenommen uns 480 Pfund Wiener Pfennige, die uns der vorgenannte Hans von Tirna ganz und gar wahr verrichtet und gewährt hat und der die vorgenannten Güter gekauft hat. Zu dem Seelgerät**, das er zu stiften meint im Bürgerspital von Wien, durch seiner und aller seiner Vorderen Seelenheiles Willen und allen gläubigen Seelen zu Hilf und zu Trost. […] Dieser Brief war Urkund. […] Versiegelt mit unsern angehangenen Siegeln und mit unserer Freunde Siegeln, den ehrbaren Herren Heinrich von Rauhenstein, Herren Rudolf von Walsee, Herren Stephan von Zelking, Herren Wolfgang von Winden und Herren Wilhelm von Chrewspacher, die alle die Sache bezeugen mit den angehangenen Siegeln. Der Brief ist gegeben zu Wien, nach Christus Geburt, Dreizehnhundert danach in dem fünfundsiebzigsten Jahr unseres Herren, Fronleichnamstag. [Anm. 21. Juni 1375]”
[StLA Urkunde N3224, Rechtschreibung angepasst]

Anmerkung zum Text: Die 30 Pfund Wiener Pfennige, die mit Schöngrabern in Verbindung gebracht werden, sind [laut Wolf (1995), S. 15]  der Ertrag bzw. die Zinsen, die sich aus diesem Gut ergeben. Die sogenannte Gülte.
* Der Hubmeister ist ein Begriff aus der frühen Habsburger-Zeit im Österreich des 13. und 14. Jahrhunderts. Ein Hubmeister ist ein Verwalter des landesfürstlichen Besitzes. Hans von Tirna war wohl der bekannteste Vertreter der Familie Tirna, ein altes, reiches Rittergeschlecht, das aus der Gegend Niederösterreich und Wien stammen dürfte. Hans von Tirna dürfte auch Mitte des 14. Jahrhunderts Bürgermeister von Wien gewesen sein.
** Als Seelgerät gilt zur damaligen Zeit eine Spende, die die Zeit im Fegefeuer verkürzen soll – also eine Art des Ablasshandels. Hans von Tirna erwartet sich durch die Zahlung einer Spende an das Wiener Bürgerspital Seelenheil für sich und seine Vorfahren, wie auch aus der Urkunde hervorgeht.

Steininbrunne und Wintpozzingin

Urkunde aus der Schriftensammlung des Stifts Melk. Orte in rot von Original hervorgehoben.

Obersteinabrunn und Windpassing werden schon viel früher als Schöngrabern in einer Niederschrift erwähnt. Am 10. Oktober 1108 wird in einer Urkunde festgehalten, dass der der Bischof Ulrich von Passau auf Bitte von Abt Engelschalk von Melk die Kirche von Wullersdorf geweiht hat. In diesem Zusammenhang werden auch alle Filialen der Pfarre Wullersdorf aufgezählt und zu diesen gehören auch Steininbrunne und Windtpozzingin – also die heutigen Orte Obersteinabrunn und Windpassing. Auch Ortschaften in der Umgebung der Gemeinde Grabern, die es heute nicht mehr gibt – wie Ober- und Unternexendorf – sind auf diesem Papier festgehalten. An Nexendorf erinnert heute noch der Nexenhof zwischen Schöngrabern und Grund, bzw. Windpassing und Hetzmannsdorf.

Dietrich von Schöngrabern und Obergrabern

Obergrabern ist wie Schöngrabern ebenfalls auf einer Urkunde aus dem 14. Jahrhundert vermerkt. Am 11. November 1354 verkauft Pilgrim der Sitzendorfer die Gülte (Anm. der Ertrag, die Zinsen) aus dem Gebiet von Sitzendorf, Goggendorf, Obergrabern und Pranhartsberg.

Urkunde aus dem Archiv des Stifts Göttweig in Niederösterreich. Orte in rot von Original hervorgehoben.

Es gibt gleich mehrere Käufer. Mitglieder der Käufergruppe sind unter anderen: Dietrich von Schöngrabern; Niklas, Pfarrer von Rohrbach; Niklas von Hollabrunn; Simon von Rußbach oder Ulrich, der Pfarrer von Riedenthal. Albert, der Kirchberger und Ulrich, der Goggendorfer bezeugen den Vertrag mit ihren Siegeln.

Urkunden-Quellen

  • Stift Göttweig, Stiftsarchiv. Urkunden (1058-1899) 1354 XI 11. Online auf: http://monasterium.net/mom/AT-StiAG/GoettweigOSB/1354_XI_11/charter [abgerufen am 13.5.2019] Veröffentlichung genehmigt durch Archivar P. Franz Schuster OSB, Stift Göttweig, weitere Verbreitung der Urkunde ist nur in Absprache mit dem Eigentümer der Bildrechte möglich.
  • Stift Melk, Stiftsarchiv. Urkunden (1075-1912) 1108 X 10. Online auf: http://monasterium.net/mom/AT-StiAM/MelkOSB/1108_X_10/charter [abgerufen am 17.5.2019] Veröffentlichung genehmigt durch die Archivverwaltung des Stifts Melk, weitere Verbreitung der Urkunde ist nur in Absprache mit dem Eigentümer der Bildrechte möglich.
  • Steiermärkisches Landesarchiv. Urkunde N 3224. Veröffentlichung genehmigt durch das Steiermärkische Landesarchiv, weitere Verbreitung der Urkunde ist nur in Absprache mit dem Eigentümer der Bildrechte möglich.

Literatur-Quellen

  • Dopsch, Alfons (1897): Beiträge zur Geschichte der Finanzverwaltung Oesterreichs im 13. Jahrhundert. Die Organisation der landesfürstlichen Finanzverwaltung. Das Landschreiber- und Hubmeisteram insbesondere. In: Mühlbacher, E. (1897): Mittheilungen des Instituts für oesterreichische Geschichtsforschung. XVIII. Band. Verlag der Wagner’schen Universitäts-Buchandlung, Innsbruck. S. 337.
  • Feuchtmüller, Rupert (1962): Die Steinerne Bibel. Die romanische Kirche von Schöngrabern. Verlagsanstalt Lentia. Wien, Linz, München. S.10.
  • Glossar, Universität Wien: Seelgerätstiftung. Online auf: https://geschichte.univie.ac.at/en/glossar/seelgeraetstiftung [abgerufen am 8.5.2019]
  • Paula, Luzian (2017): Siedlungsentwicklung. Eigenverlag, Windpassing. S. 14.
  • Seher, Franz (1949): Ortsgeschichte der Marktgemeinde Schöngrabern in alter und neuer Zeit. Manuskript. o.V., Schöngrabern.
  • Steiermärkisches Landesarchiv, Urkunde N 3224.
  • von Franzenshuld, Ernst Edlen (1869): Die Tirna. Historisch-diplomatische Skizze. In: Verein für Landeskunde von Nieder-Oesterreich (1869): Jahrbuch für Landeskunde von Nieder-Oesterreich. II. Jahrgang (1868-1869). Selbsterverlag des Vereins, Wien.
  • Wolf, Franz (1995): Schöngrabern im Wandel der Zeiten. Eigenverlag, Schöngrabern. S. 15.