Die Herrschaft von Mittergrabern

Das Schloss Mittergrabern ist neben der romanischen Kirche in Schöngrabern das wichtigste Wahrzeichen der Gemeinde Grabern. Die Geschichte des Schlosses, das sich seit 1992/93 in Privatbesitz befindet, reicht viele hundert Jahre zurück. Seine Ursprünge hat Mittergrabern im 12. und 13. Jahrhundert.

Besonders wild geht es im Jahr 1507 her. Ende des 15. Jahrhunderts erobert der ungarische König Matthias Corvinus Teile des Habsburgerreiches im heutigen Niederösterreich und verpfändet die Herrschaften an seine Getreuen – so auch das Schloss Mittergrabern. Nach Corvinus Tod 1490 und dem Friedensvertrag von 1491, den der große Habsburger und spätere Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Maximilian I. mit den Böhmen und Ungarn schloss, wird Mittergrabern Wenzelslaus Schwolski von Goldenstein überantwortet. Im erwähnten Jahr 1507 wird Schwolski von Goldenstein aber von Friedrich von Stubenberg “bei nächtlicher Weil und Zeit in dem Schloss überfallen, gefangen genommen, alles Hab und Gut beraubt und das Schloss ausgebrannt.” [Schmollek (1920), S. 166; Rechtschreibung angepasst] Kaiser Maximilian I. sorgt aber dafür, dass Schwolski von Goldenstein “nicht allein des erlittenen Schadens halber, sondern auch dem Landesfürsten treu geleisteten Diensten halber” entschädigt wird. [ebenda; Rechtschreibung angepasst]

Wappen der Familien Schifer und Sonderndorf. Quelle: Gedenkbuch Pfarre Mittergrabern

Ob es in den Jahrhunderten darauf ebenfalls so brutal zugeht, lässt sich anhand der vorhandenen Quellen nicht erurieren. Ein bewährtes Mittel zur Übergabe und Sicherung von Besitz ist die – im damaligen Österreich besonders beliebte – Methode der strategischen Hochzeit. So praktiziert von den Familien von Sonderndorf und von Schifer, die im 17. Jahrhundert in Mittergrabern herrschten. Die Verbindung der Familienwappen ist in der Pfarrchronik von Mittergrabern festgehalten. (siehe Abbildung)

Hoch- und Wohlgeboren

Ursprünglich entwickelt sich der mitteralterliche Adel in unseren Breiten durch Eroberungen und wachsender Besitztümer. Weder der Adel noch die Kirche, ebenfalls eine mächtige Grundbesitzerin, sind im Stande ihre Gründe zu bearbeiten. Daher werden Lehen an Bauern ausgegeben. Die freien oder unfreien Bauern müssen den zehnten Teil (Zehent) ihrer Ernte und der Erträge aus der Viehwirtschaft an die Herrschaft abgeben. Die Grundherrn verpflichten sich wiederum ihre Untertanen vor den Gefahren durch zB. Räuberbanden zu schützen. Einfluss auf die Gebiete der heutigen Gemeinde Grabern haben u.a. die Stifte in Klosterneuburg, Zwettl und Göttweig, die Künringer, die Herrschaften in Hardegg und Guntersdorf – und eben die Herrschaft in Mittergrabern.

Auch in der Kunst ist das Schloss Mittergrabern verewigt. Der österreichische Kupferstecher Georg Matthäus Vischer fertigt im 17. Jahrhundert ein Abbild des Schlosses an.

Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert. Quelle: Georg Matthäus Vischer

Im 19. Jahrhundert wird das Schloss erneuert. Nicolaus Ritter von Wacken (später Freiherr) ersteigert die Herrschaft Mittergrabern 1823 bei einer Auktion um 101.100 Gulden und macht sich sogleich an die Rennovierung. Ein Wagenschuppen, eine Fruchtscheune und die Wohnung der Deputatisten (landwirtschaftliches Gesinde) werden neu gebaut und die Pferdestallungen bekommen ein Ziegeldach. Wacken bringt es während seines Lebens zu einigen Würdigungen, zumindest wenn es nach der Inschrift auf seinem Grabstein geht. Hier im Wortlaut:

“Hier ruhet der Hoch- und Wohlgeborene Herr Nicolaus Joh. Nep. Freyherr v. Wacken, K.K. wirklicher Hofrath bei der geheimen Haus- Hof- und Staatskanzlei, Ritter des Königl. ungarischen Sct. Stephan-Ordens (S.EC.E.K.) Kommandeur des Königl. Würtenberg’schen Civil-Verdienst und des Const. Sct. Georgs-Ordens von Parma, Ritter des Kaiserl. Russischen Sct. Annen-Ordens 2ter Klasse, dann des Königl. Sächsischen Civil-Verdienst-Ordens, Herr auf Mittergrabern; gestorben zu Wien am 26. Juni 1834 im 73. Jahre seines verdienstvollen Lebens. – Frieden seiner Asche”
[Schmollek (1920), S. 170]

Wie es während der letzten Jahre des Nicolaus von Wacken in Mittergrabern aussieht, lässt sich relativ genau nachvollziehen. In den frühen 1830er-Jahren besucht ein Topograf die Gemeinde Grabern und auch Mittergrabern und beschreibt das Schloss mit diesen Eindrücken:

“Übrigens ist das Schloss fest gebaut und die Gemächer des Erdgeschosses und des zweiten Stockwerkes – welches wirklich höchst sonderbar ist – sind gewölbt, sonst aber ist gar nichts Merkwürdiges darin vorhanden. Eben so enthält das herrschaftliche Archiv keine alten Urkunden, die über die Erbauung des Schlosses, Entstehung des Ortes oder über die früheren Ereignisse und erlittenen Schicksale nur einiges Licht werfen könnten.”
[Schweickhardt (1834), S. 145; Rechtschreibung aktualisiert]

Neben den Wirtschaftsgebäuden gehört der – auch heute noch vorhandende – Körner-Schüttkasten und eine Ziegelbrennerei in diesen Jahren zur Herrschaft. Durch die Weltkriege wird die Herrschaft des Adels abrupt beendet. Graberns Altbürgermeister Alois Hörker (1939-2015)* erinnert sich selbst noch an den Grafen Waldstein, der bis nach dem 2. Weltkrieg in Mittergrabern lebt. Danach wird das Schloss vom Land Niederösterreich zu einer Landwirtschaftlichen Fachschule umgebaut. Für 40 Jahre werden bis zum Schuljahr 1991/92 Mädchen in Mittergrabern unterrichtet. Seit Ende 1992 ist das Schloss in Privatbesitz.

Besitzwechsel in Mittergrabern

Besitzerwechsel in Mittergrabern
Datum Herrschaft**
1317 Mittergrabern wird erstmals namentlich unterschieden
Mitte 14. Jh Rittersgeschlecht der Sitzendorfer
ca. 1370 Hans von Tirna***
1409 Jörg von Dachsberg
1434 Stubenberg
1467 Hans Oberholzer, Pfleger der Stubenberger
1482 Gefolgsmann des ungarischen Königs Matthias Corvinus
1493 Kaiser Friedrich III., gewaltsame Einforderung
1559**** Ritterfamilie Wenzelslaus Schwolski von Goldenstein
1584**** Hans Wilhelm Freiherr von Roggendorf
Mitte 16. Jh/Anfang 17. Jh Bau oder Umbau zum heutigen Schloss
1610 Hans Wilhelm Graf von Hardegg
1617 Paris Freiherr von Sonderndorf und Erben
1753**** Maria Elisabeth Freiin von Ludwigsdorf
1779 Josef Johann Nepomuk Graf von Fuchs
1823 Nicolaus Freiherr von Wacken
1872-1945 Graf Waldstein
nach 1945 Land Niederösterreich
1952-1992 Landwirtschaftliche Fachschule
seit 1993 in Privatbesitz

* Dieser Clip ist ein Ausschnitt aus einem Vorinterview vom 1.8. 2014 und war eigentlich nicht zur Veröffentlichung gedacht. Wir bitten deshalb ob der Tonqualität um Nachsicht. Wegen seines überraschenden Todes konnten wir Herrn Hörker nicht mehr vor unsere Kamera bitten. Vielen Dank an die Familie Hörker, die uns freundlicherweise die Veröffentlichung dieser Tonaufnahme genehmigt hat.
** Aus Schmollek (1920), S. 166f geht hervor, dass die Herrschaft Mittergrabern nicht immer zur Gänze einer Familie gehörte. Häufig gab es Teilhaber an den Gebieten oder an den Zehentrechten.
*** Hans von Tirna wird auch Jans oder Johann von Tirna oder Tyrna genannt, er kauft im Jahr 1375 auch das Gebiet um Schöngrabern.
**** Daten orientieren sich an Schweickhardt (1834), S. 147 und Schmollek (1920), S. 166

Quellen

  • Reichhalter, Gerhard; Kühtreiber, Karin; Kühtreiber, Thomas (2005): Mittergrabern. Online auf: http://www.imareal.sbg.ac.at/noe-burgen-online/result/burgid/858 [abgerufen am 26.4.2019]
  • Hammerl, Werner (2016): Mittergrabern. Online auf: http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=1761 [abgerufen am 26.4.2019]
  • Schmollek, Josef (1920) Handschriftliche Eintragung. In: Gedenkbuch der Pfarre Mittergrabern, Band I. (o.J.), S. 166-170 (hier zum Download, 14 MB)
  • Schweickhardt, Franz (Hg., 1834): Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens, durch umfassende Beschreibung aller Burgen, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer, Rotten etc[etera] etc., topographisch-statistisch-genealogisch-historisch bearbeitet, und nach den bestehenden vier Kreis-Vierteln alphabetisch gereiht. Viertel unterm Manhartsberg. 2. Band: Fatzihof bis Herrnlois. Mechitharisten, Wien. (Hier online)
  • Wolf, Franz (1995): Schöngrabern im Wandel der Zeiten. Eigenverlag, Schöngrabern. S. 14f

Bildquellen

  • Handzeichnungen, Gedenkbuch der Pfarre Mittergrabern, Band I. S. 169
  • Vischer, Georg Matthäus (1672): Schloss Mittergrabern. Kupferstich. Zur Verfügung gestellt von Werner Hammerl, Burgen Austria.

weitere Literatur

  • Binder, Georg (1925/II): Die Niederösterreichischen Burgen und Schlösser (2 Bände). Wien–Leipzig. S. 113
  • Clam-Martinic, Georg (1991): Österreichisches Burgenlexikon. Linz. S. 159
  • Dehio Niederösterreich, nördlich der Donau (1990). Bundesdenkmalamt, Wien. S. 748
  • Eggendorfer, Anton (1993): Marktgemeinde Grabern. In: Ernst Bezemek, Willibald Rosner (Hg.,1993): Vergangenheit und Gegenwart. Der Bezirk Hollabrunn und seine Gemeinden. Hollabrunn. S. 557–602, S. 557 ff, S. 576.
  • Faßbinder, Brigitte; Brückler, Theodor (1997): Kunst im Bezirk Hollabrunn. Stadtmuseum Alte Hofmühle Hollabrunn, Hollabrunn. S. 134ff
  • Jaser, Manfred et al (1979): Schlösser und Burgen im Weinviertel. Schriftenreihe Das Weinviertel 3 (hg. v. Kulturbund Weinviertel), Mistelbach. S. 100
  • Niederösterreichisches Landesarchiv. Hardegger Urkunden. Herrschaftsarchiv Seefeld Hardegger Urk 1303. Online auf: http://monasterium.net/mom/AT-NOeLA/HA_Seefeld-HardeggerUrk/Hardegger_Urk_1303/charter [abgerufen am 14.5.2019]
  • Reichhalter, Gerhard; Kühtreiber, Karin; Kühtreiber, Thomas (mit Beiträgen von Günter Marian, Roman Zehetmayer) (2005): Burgen Weinviertel (hg. v. Falko Daim). Wien. S. 136f
  • Stenzel, Gerhard (1976): Von Schloss zu Schloss in Österreich. Kremayr & Scheriau, Wien.