St. Peter am Stein – das verlorene Dorf
Die Gemeinde Grabern könnte heute vielleicht aus sechs statt fünf Orten bestehen. Wäre da nicht ein Habsburgerkaiser gewesen, der sich entscheidend in die Geschichte eingemischt hat.
Bereits 1250 soll es den Markt St. Peter am Stein gegeben haben. Der Ort ist auch als Peterskirchen bekannt. Das kleine Dorf hat sich ungefähr gleichweit von den drei Ortschaften Ober-Steinabrunn, Windpassing und Grund (heute Gemeinde Guntersdorf) befunden hat. Noch heute wird die Anhöhe, auf der der Ort gelegen ist, Petersberg genannt.
Den Beinamen „am Stein“ hat es vom Steinbruch, der sich dort befunden hat. Für den Bau der Kirche beim Schöngraberner Bründl soll in St. Peter der quarzgebundene Sandstein abgebaut worden sein. Aus Rechnungen aus dem Jahr 1744 geht hervor, dass die Bauern 92 Fuhren Steine aus St. Peter geholt haben. Ob die Steine noch aus dem Steinbruch abgebaut wurden, steht aber in Zweifel. Der Wullersdorfer Historiker Johann Six vermutet in seinem Buch, dass die Steine für die Bründlkirche von den Grundmauern des ehemaligen Ortes Obernechsendorf stammen.
Dass ein Steinbruch ein gefährlicher Ort ist, beweist dieser Bericht aus einem Marktrichterprotokoll:
“den 1.3. des 1659sten Jahres ist Meister Hans Hoffer, Maurer allhier, bei St. Peter im Steinbruch tot aufgefunden worden, dass ihm ein großer Stein vorn an die Brust gefallen ist und gleich derdruckt hat und ist bei der Kirche alldort begraben worden. Gott möge ihm eine fröhliche Auferstehung verleihen.” [Marktrichterprotokoll S. 226, zitiert in: Wolf (1995), S. 118, (Rechtschreibung aktualisiert)]
Am 26. Jänner 1727 besichtigt der Pfarrer von Wullersdorf Hermann Bernhard die Kirche in St. Peter, die damals zur Pfarre Wullersdorf gehörte. Er notiert:
“Am 26. Jänner 1727 ist bevorstehende Kirchenraitung über das würdige Gotteshaus bei St. Peter am Stein zu Steinabrunn von mir […] allen Fleißes durchsehen, beobachtet und überlegt, hiedurch aber ohne Bedenken und Mängel befunden worden.” [Dokumentscan, zitiert in: Six (2011), S. 50, (Rechtschreibung aktualisiert)]
Doch der Pfarrer dürfte es mit der Wahrheit nicht so genau genommen haben, denn der Visitationsbericht vom 30. April 1727 des Dechants von Röschitz an das Passauer Konsistorium fällt anders aus:
“Dieses ist eine uralte, auf einem hohen Berg gelegene, dem S. Petro gewidmete, ziemlich große, dem zerstörten Tempel zu Jerusalem gleich sehende Kirche. Die Sakristei allda wird beim nächsten größeren Sturm zusammen fallen. In der Kirche ist kein einziger Stuhl oder eine Bank. Die Mauern sind eher schwarz als weiß, der hohe Altar ist sehr schlecht, aber mit einem Portatile versehen, hat aber keinen Leuchter und keine Kerzen darauf. P. Hermann entschuldigte das mit etwaigen Dieben, derentwegen nichts in der Kirche sei.” [zitiert in: Six (2011), S. 74f, (Rechtschreibung aktualisiert)]
In den 1740er Jahren wird die Kirche umgebaut und für 3.000 Gulden renoviert, wie eine Rechnung aus der Pfarre Wullersdorf belegt. Noch im Jahr 1770 hat die Kirche am Petersberg bestanden. Die ursprüngliche Kirche dürfte wohl wie der Ort aus dem 13. Jahrhundert stammen. Über den Baustil kann nur spekuliert werden. Topografen aus dem 18. Jahrhundert schrieben, dass der Ort “vor Zeiten ein Markt, von dem aber nur diese auf einem Berge gelegene Kirche übrig geblieben, die ein Filial von Wullersdorf ist.” [Weiskern (1770), S. 62]
1786 wird das Schicksal von St. Peter besiegelt. Wie bei der Bründlkirche in Schöngrabern hat auch hier Kaiser Joseph II. seine Finger im Spiel. In den 1780er Jahren beschließt er als Sparmaßnahme Kirchensperrungen in seinem Reich. Am 12. September 1786 wird auch die Kirche von St. Peter gesperrt. Ein Bericht aus 1787 zeigt, dass das Vermögen der Pfarre eingezogen wurde. Das Inventar wurde verkauft und die Kirche selbst wurde abgerissen. Die neu erbaute Kirche in Alberndorf erhielt einen Großteil des Bestandes aus der Kirche von St. Peter, zum Beispiel den Hochaltar und die Orgel. Pflastersteine wurden in Untermarkersdorf verwendet. Das Baumaterial der abgerissen Kirche wurde verschenkt.
Heute steht eine kleine Kapelle am Petersberg zwischen Windpassing und Ober-Steinabrunn.
Quellen
- Schmollek, Josef (1920) Handschriftliche Eintragung. In: Gedenkbuch der Pfarre Mittergrabern, Band I. (o.J.)
- Schweickhardt, Franz (Hg., 1835/I): Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens, durch umfassende Beschreibung aller Burgen, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer, Rotten etc[etera] etc., topographisch-statistisch-genealogisch-historisch bearbeitet, und nach den bestehenden vier Kreis-Vierteln alphabetisch gereiht. Viertel unterm Manhartsberg. 5. Band: Neusiedl bis Rohrendorf. Sollinger, Wien.
- Schweickhardt, Franz (Hg., 1835/II): Darstellung des Erzherzogthums Österreich unter der Ens, durch umfassende Beschreibung aller Burgen, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer, Rotten etc[etera] etc., topographisch-statistisch-genealogisch-historisch bearbeitet, und nach den bestehenden vier Kreis-Vierteln alphabetisch gereiht. Viertel unterm Manhartsberg. 6. Band: Ronthal bis Schönborn. Mechitharisten, Wien.
- Seher, Franz (1949): Ortsgeschichte der Marktgemeinde Schöngrabern in alter und neuer Zeit. Manuskript. o.V., Schöngrabern.
- Six, Johann (2011): St. Peter am Stein. Gesperrte Filial-Kirche von Wullersdorf. Wullersdorfer Geschichtsverein, Wullersdorf.
- Weiskern, Friedrich Wilhelm (1770): Topographie von Niederösterreich in welcher alle Städte, Märkte, Dörfer, Klöster, Schlößer, Herrschaften, Landgüter, Edelsitze, Freyhöfe, namhafte, Örter u. d. g. angezeigt werden, welche in diesem Erzherzogthume wirklich angetroffen werden, oder sich ehemals darinnen befunden haben. 2. Teil. Kurzböck, Wien.
- Wolf, Franz (1995): Schöngrabern im Wandel der Zeiten. Eigenverlag, Schöngrabern.